Es reicht!

Familien beschweren sich im Landtag über diskriminierende Erfahrungen mit Bildungseinrichtungen in der Region Ostwestfalen-Lippe.


Eine Online-Umfrage des Bielefelder Elternvereins die Inklusiven e.V. brachte es ans Licht: Familien in Ostwestfalen-Lippe erleben alles andere als das garantierte Elternwahlrecht oder Qualitätsverbesserungen durch Umsteuerung der schulischen Inklusion.

Insgesamt 15 Berichte überreichte die Elterngruppe nun als Petitionen an Sigrid Beer, Mitglied des Landtages und Sprecherin des dortigen Petitionsausschuß, als diese am 10.Januar Gast im Bielefelder Büro des Vereins war.

Die bisherigen Umfrage-Ergebnisse zeichnen ein Bild von Schulen, die offenbar ihre allgemeinen Probleme gegenüber einzelnen Kindern und Eltern auf der persönlichen Ebene austragen, sowie von Behörden, die in ihrer Beratungs- und pädagogischen Aufsichtsfunktion entweder unsichtbar bleiben oder gegen Familien agieren.

Die Geschichten erzählen von Kindern, denen mit fehlerhaft attestierten Förderbedarfen beste Bildung verweigert wird, von Zwangszuweisung zur Förderschule oder von boykottiertem Wechsel von Förder- zur Regelschule, wenn z.B. Eltern beim Förderbedarf Lernen und Sprache in einem inklusiven Setting gerechtere Bildungschancen für ihre Kinder sehen.

Das geht sogar so weit, dass Schulen mit Kindeswohlgefährdungs-Anzeigen operieren und Behörden ungeprüft Inobhutnahmen realisieren. So harren in einer Einrichtung für sogenannt geistig Behinderte seit nunmehr 7 Monaten zwei nicht geistig behinderte Kinder aus, ohne dass der beantragte Schulwechsel von den Behörden umgesetzt wurde.

Insgesamt entsteht der Eindruck von chaotischer Vorgehensweise und unklaren Zuständigkeiten, von Nötigung zu nicht zutreffenden (psychischen) Diagnosen und von manipulativem Verhalten. Auch Täter-Opfer-Umkehr an Schulen zieht sich durch die Berichte, während die Themen Förderung und Mobbing unbearbeitet bleiben.

„Der Druck, den die Schule ausübte, hat unser normales Familienleben so belastet, dass wir unser Haus verkauft haben und umgezogen sind.“ berichtet ein Vater.

Und ein anderer ergänzt: „Was fehlt, ist der Umgang mit uns Eltern auf Augenhöhe – das Gefühl, dass alle zuständigen Ebenen sich um eine gute Lösung für Kind und Familie bemühen.“

Dr. Marcus Knauf vom Wissenschaftler-Team Knauf & Knauf, das unlängst die gängige Praxis der Zuweisung falscher Förderschwerpunkte statistisch nachwies, steht dem Verein beratend zur Seite. Seine Bewertung: „Was die Eltern in den Berichten schildern, ist letztlich ‚Institutionelle Gewalt‘.“

Sichtlich betroffen von den Berichten zeigte sich auch Sigrid Beer im Gespräch mit den Eltern: „Es ist würdelos, dass Eltern trotz der Rechtslage wie Bittsteller behandelt werden bzw. sich auf die Rolle von Ressourcen-Beschaffern reduziert sehen.“

Schließlich können gerade Eltern von Kindern mit Förderbedarf eine wertvolle, inklusiv geschulte Ressource sein, die den Schulen mit der beschriebenen Art des Umgangs verloren geht. Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen haben Schulen doch jede Unterstützung nötig, sollte man meinen.

Die Vereinsvorsitzende Romy Suhr fasst zusammen:

„Wir erwarten, ganz klar, dass dieser Umgang mit Kindern und Eltern in den Fokus genommen wird und Ursachen analysiert werden. Die Familien möchten sich wieder als gleichberechtigten Teil dieser Gesellschaft fühlen.“

Im Rahmen des demokratischen Instruments eines Petitionsverfahrens werden die Vorkommnisse nun geprüft. Die Untersuchungs-Kommission wird dann Ende März/ Anfang April ganztägig in Bielefeld die Eltern anhören, kündigte Sigrid Beer an.


Online Umfrage

Der Elternverein die Inklusiven e.V. hat eine Online-Umfrage gestartet – zu Erfahrungen im Bildungsbereich in Ostwestfalen-Lippe. Er möchte damit belasteten Familien auf einfache Weise eine Stimme geben. Auch Kinder und Jugendliche können teilnehmen. Die Umfrage erfolgt anonym. Bei Fragen kann sich jeder an den Verein wenden.

Der Elternverein die Inklusiven e.V. Bielefeld/ OWL ist unabhängiger Ansprechpartner für Eltern, v.a. in Fragen zur Inklusiven Schulbildung in der Region Ostwestfalen-Lippe.

Im Zentrum seines Wirkens steht das Recht „aller Lernenden“ auf eine hochwertige, inklusive Schulbildung gemäß dem Wortlaut der UN-BRK und des General Comment Nr. 4 zu Art.24.

Kontaktdaten: www.die-inklusiven.de

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist die Konkretisierung der allgemeinen Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderung. Sie ist seit 2009 in Deutschland gültig.
Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung verpflichtet, Barrieren für Menschen mit Behinderung so zügig wie möglich abzubauen.
Dazu gehört, diese Barrieren zunächst unter Beteiligung der Betroffenen zu benennen, auch im Bildungsbereich, also in Kita, Schule, Berufsausbildung.

Für weitergehende Informationen

Prof. A. Zimpel, Uni Hamburg, forscht zu Aufmerksamkeitsspanne und Lernverhalten: „Man kann schon froh sein, wenn Bildungseinrichtungen keinen Schaden anrichten.“
Prof. Vera Moser
Prof. Lisa Pfahl
Ines Boban/ Andreas Hinz „Index für Inklusion“
Dr. Reinhard Stähling, Schulleiter Primusschule Münster (siehe u.a. Youtube)