Eltern fordern Bildung mit Prävention

Offener Brief/ Petition: Sicherheit für Bildung/ Betreuung in der Pandemie

An:
Bundeskanzleramt:
Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Bundestag:
Frau Bundesbildungsministerin Anja Karliczek
An die KMK-Vorsitzende:
Ministerin Dr. Hubig
An die Landtage aller Bundesländer:
Schul-/ KultusministerInnen


Offener Brief/ Petition: Sicherheit für Bildung/ Betreuung in der Pandemie

Sehr geehrter Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
sehr geehrte Frau Bundesbildungsministerin Karliczek,
sehr geehrte Frau Vorsitzende der Kultusministerkonferenz
Ministerin Dr. Hubig,
sehr geehrte Bildungs-/KultusministerInnen der Länder,


wir richten uns heute gemeinsam an Sie, da wir größte Bedenken gegen die aktuellen Entscheidungen haben, wie der Gesundheitsschutz in unseren Schulen zu erfolgen hat, weil dadurch unsere Kinder und damit auch die Gesamtbevölkerung unverantwortlich gefährdet werden. Da Bildungspolitik Ländersache ist, haben wir unsere Einwände und Bedenken gegen die momentane Beschulung im Regelbetrieb unter Hygieneauflagen mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen bereits in zahlreichen Briefen an die einzelnen Landesbildungs-MinisterInnen vorgetragen, ohne spürbare Änderungen erzielen zu können. 


Aufgrund der wieder aktuell hohen Bedrohungslage durch SARS-CoV-2 sehen wir nur die Möglichkeit, eine zentrale Steuerung der Maßnahmen an Schulen durch die Bundesregierung einzufordern und/oder die Länder erneut zu einem einheitlich verantwortungsvollen Handeln aufzufordern, um einen kompletten Lockdown zu verhindern:

  1. Wir fordern einen ländereinheitlichen verbindlichen Stufenplan, der bei steigenden Infektionszahlen zu abgestuften Hygienesicherheitsmaßnahmen vor Ort führt, die Vermeidung in den Vordergrund stellt und die Einhaltung der AHA Regelungen berücksichtigt.
  2. Wir fordern die Planung umgehender Verkleinerung der Lerngruppen, so dass das Einhalten der AHA- Regeln des RKI durch die Lernenden an den Arbeitsplätzen möglich ist.  Wir fordern die Möglichkeit des Hybridunterrichts im Schichtbetrieb – mit Sicherung der Betreuung – mit größtmöglicher digitaler Unterstützung unter Berücksichtigung von Minderheiten, die einen erhöhten Bedarf haben. 
  3. Wir fordern die Möglichkeit der sofortigen Ausweitung des digitalen Unterrichts in der SEK II, vergleichbar mit den Hochschulen, dort, wo die Voraussetzungen schon gegeben sind, sowie die Möglichkeit einer kurzen täglichen Präsenzzeit für Minderheiten mit einem erhöhtem Bedarf an pädagogischer Unterstützung.
  4. Wir fordern die Anerkennung, dass wir uns in einem noch langanhaltenden Krisenmodus befinden, der allen Lehrenden in Schule viel abverlangt. Daher sollten Lehrkräfte freiwillig ihr Stundendeputat erhöhen dürfen, was dann eine flexible Ausgestaltung und eine Verkleinerung der Lerngruppen ermöglicht.
  5. Wir fordern den sofortigen Einsatz von technischen AdministratorInnen und weitere personelle Unterstützung sowie die Etablierung und Ausweitung von Multiprofessionellen Teams für jede Schule. Diese Aufgaben könnten u.a. von Fachkräften und auch von Studierenden und LehramtsanwärterInnen übernommen werden. Wir fordern, zukünftig endlich dauerhaft eine ausreichende Lehrerversorgung sicherzustellen.
  6. Wir fordern eine verlässliche ergänzende Betreuung von Lernenden in kleinen Gruppen bei berufstätigen Eltern und SchülerInnen mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf.
  7. Wir fordern die sofortige Einrichtung zusätzlicher Räumlichkeiten, insbesondere technisch ausgerüstete Selbstlernräume für SchülerInnen, denen ein solcher zu Hause nicht zur Verfügung steht.
  8. Wir fordern den Einbau von Raumluftfilteranlagen mit Hepafilter der Stufe H 13-14 in Klassenräumen und Mensen, wo die Belüftung schwierig ist.
  9. Wir fordern bei stark steigenden Infektionszahlen oder bei Risikogruppen die Ausdehnung einer Maskenpflicht auch für die Klassenräume – mit Ausnahme der Lernenden und Lehrenden, denen aus Gesundheitsgründen oder aufgrund einer Behinderung ein Tragen der Maske nicht möglich ist. Wir fordern die Bereitstellung hochwertiger Masken (FFP2) für alle Personen mit einem erhöhten Risiko. Wir setzen dabei voraus, dass wissenschaftlich überprüft erwiesen ist, dass der Nutzen der Masken die damit einhergehende Belastung überwiegt.
  10. Für alle Risikogruppen unter den Lernenden mit einem besonderen Bedarf fordern wir umgehend alternative Schutzhilfen, so dass die Teilhabe ermöglicht werden kann. Wir fordern Transparenz und genaue tägliche Angaben der Infektionszahlen an Schulen insgesamt und im Einzelfall für die Schulgemeinde sowie eine dann erfolgende Testung der gesamten betroffenen Kohorte.
  11. Wir fordern ein gemeinsames Abstimmen und Handeln von Politik, Lernenden, Eltern und Lehrenden auf allen Ebenen, um hier zielgerichtet kommunizieren zu können und gemeinsam Problemlösungen zur Eindämmung des Virus zu erreichen, die zu einer großen Akzeptanz führen.
  12. Wir fordern für die Zukunft die Entwicklung einer bundesweit einheitlichen Lernplattform (wie z.B. HPI Schul-Cloud), die es ermöglicht, dass virtueller Unterricht bei Bedarf für unsere Lernenden als Angebot zur Verfügung gestellt werden kann, um für zukünftige Gefährdungslagen gerüstet zu sein.
  13. Für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrenden im digitalen Bereich (Digitalisierung von Schule) sind ausreichende finanzielle Mittel kontinuierlich bereitzustellen.

Seit einigen Wochen sind die Schulen in Deutschland im Regelbetrieb mit Hygieneauflagen geöffnet. Dahinter stand die begrüßenswerte Idee, soziales Miteinander zu ermöglichen sowie Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Die Verantwortlichen gingen bei dieser Entscheidung von niedrigen SARS-CoV-2-Fallzahlen aus sowie von der Annahme, dass sich junge Menschen nicht oder selten untereinander infizieren würden. Die Realität sieht anders aus. Die für die Schulöffnungen erarbeiteten Hygienemaßnahmen der Bundesländer sind – dies zeigen die vergangenen Wochen – nicht ausreichend geeignet, einen Infektionsschutz
für die Schulgemeinschaft zu sichern. Die Zahl der mit SARS-CoV-2-Infizierten in Deutschland nimmt dramatisch zu. Dies trifft vor allem auch unsere Schulen. Viele tausend Lernende haben sich mit SARs-CoV-2 infiziert – ebenso eine größere Anzahl an Lehrenden und andere pädagogische Fachkräfte und weiteres Schulpersonal. Aktuell gehen wir von mindestens 50.000 Lernenden und einer zusätzlichen großen Anzahl von Lehrenden aus, die in Quarantäne sind.

Zudem zeigt sich zunehmend, dass die jeweilige Schulklasse oder Jahrgangstufe nicht vollständig in Quarantäne gehen muss, sondern oftmals nur die jeweiligen Sitznachbarn der infizierten Person. Die Gesundheitsämter entscheiden vielerorts uneinheitlich. Das wird in jenen Schulen besonders deutlich, in denen Lehrende und Lernende aus verschiedenen Kommunen zusammenkommen, in denen unterschiedliche Regelungen gelten. Dies führt zu einer großen Verunsicherung in den Schulgemeinschaften und belastet den Schulfrieden. Die Verantwortung wird stetig zwischen Ländern und kommunalen Schulträgern sowie Gesundheitsämtern hin und her geschoben. Einige Kultusministerien/Bildungsministerien behaupten, es würde zu keinen Ansteckungen in den Schulen kommen; Schulen seien
„sichere Orte“. Die Ministerien lassen die Ansteckungswege jedoch nicht durch wissenschaftliche Sequenzanalysen untersuchen. Weil es in vielen Fällen nicht zur Testung der gesamten Kohorten kommt, können symptomfreie Ansteckungen überhaupt nicht verfolgt bzw. nachgewiesen werden. Wir wundern uns über die beharrliche Ausblendungshaltung der BildungsministerInnen bezüglich der Erkenntnisse, wie z.B. von
Prof. Dr. Christian Drosten, zur Ansteckung und Erkrankung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an SARS-CoV-2.

Die Schulen sind dem Infektionsgeschehen derzeit mit den bisher ergriffenen Maßnahmen ohne ausreichenden Schutz ausgeliefert und müssen daher umgehend sicherstellen, dass in Zukunft keine Schule mehr geschlossen wird, sondern nur eine Anpassung der Beschulungskonzepte erfolgen muss und Familien möglichst nicht noch stärker in wirtschaftliche Nöte geraten. Wir möchten den Ausschluss von Menschen mit einer höheren Gefährdung oder Menschen mit einer Behinderung vermeiden. Wir wollen keine chancenungleiche Erhöhung von privaten Nachhilfeinstituten, sondern Schulen, die bestmögliche Bildungs- und Betreuungsangebote für die kommenden Monate unter angemessenen Gesundheitsschutz sichern können. Die AHA-Regeln müssen konsequent in Schulen angewandt werden können insbesondere mit Rücksicht auf die besonders Schutzbedürftigen.

Viele Schulleitungen beklagen die Nicht-Beachtung alternativer Konzepte, die sie selbst erarbeitet haben und mehr Sicherheit und einen Zuwachs an guter Bildung ermöglichen würden. Sie würden sowohl eine tägliche Beschulung wie eine tägliche Betreuung jüngerer Lernender gewährleisten. Ein Bildungsgipfel, der ohne die gleichwertige Beteiligung aller an Bildung Beteiligter (kommunale Spitzenverbände, Lehrerverbände und Gewerkschaften, Lehrende, Lernende, Eltern) stattfand, ist nicht geeignet, die besten Lösungen zu erarbeiten und einen breiten Konsens zu schaffen. Dabei ist die Gesundheit unserer Schulgemeinschaften ein zentraler Baustein für das Funktionieren der Gesellschaft.
Schulen sind mindestens so systemrelevant wie Banken, Fluglinien, die Automobilindustrie: Sie sichern die Zukunft der kommenden Generationen. Die Bildungsministerien der Länder verspielen mit Ihrer Ausblendungshaltung das Vertrauen tausender Familien und Lehrender.
Wir halten eine kurzfristige Bildungskonferenz zur Pandemie unter Einbindung der oben genannten Beteiligten für unerlässlich. Daher bitten wir Sie um eine kurzfristige Rückmeldung und erwarten Ihre zeitnahe Antwort.


Mit freundlichen Grüßen

Zusammenschluss: Sicherheit für Bildung in der Pandemie

Stephan Wassmuth (Vorsitzender) Bundeselternrat, Lohfelden
Petra Müller (BER-Mitglied) Landeselternbeirat Rheinland Pfalz
Andrea Lausberg-Reichardt (BER-Mitglied) LEK NRW
Stefanie Krüger-Peters (BER-Mitglied) LEK NRW
Reiner Schladweiler Landeselternsprecher RLP Regionalelternsprecher Regionalelternbeirat Trier
Stjepan Bonic Stellvertretender Landeselternsprecher RLP
Uwe Geisler (Sprecher) ARGE-SEB Mainz
Erol Celik (Vorsitzender) Elternnetzwerk NRW Integration miteinander e.V.
Dr. Aysun Aydemir (Vorsitzende) Föderation Türkischer Elternvereine e.V. (FÖTEV NRW)
Michael Mittelstaedt (Vorsitzender) Landeselternbeirat Baden-Württemberg (LEB BW)
Bernd Kochanek (Vorsitzender) Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen e.V. (GLGL e.V)
Roland Schiefelbein (Vorstand) Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule– Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG NRW e.V.)
Stefan Kreis (Vorsitzender) GesamtLandesElternVertretung Saarland (GLEV)
Romy Suhr (Vorsitzende) die Inklusiven e.V
Andrea Honecker (Vorsitzende) Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) im Erzbistum Köln e.V.
Anke Staar (Vorsitzende) Landeselternkonferenz NRW (LEK NRW)
Tanja Speckenbach (Vorsitzende) Landeselternschaft der Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung e.V.
Jutta Löchner (Vorsitzende) Landeselternschaft der Gymnasien e.V.
Eva Thoms (Vorsitzende) Mittendrin e.V.
Klaus Amoneit (Vorsitzender) Progressiver Eltern- und Erzieherverband NRW e.V.
Cindy-Patricia Heine (Vorsitzende) Landeselternbeirat Niedersachsen
Dr. Irene Schütze, Mainz
Prof. Dr. Markus Scholz, Leipzig

cc.an:
Frau Bildungsministerin Susanne Eisenmann
Herrn Bildungsminister Michael Piazolo
Frau Bildungsministerin Sandra Scheeres
Frau Bildungsministerin Britta Ernst
Frau Bildungsministerin Claudia Bogedan
Herrn Bildungsminister Ties Rabe
Herrn Bildungsminister Alexander Lorz
Frau Bildungsministerin Bettina Martin
Herrn Bildungsminister Grant Hendrik Tonne
Frau Bildungsministerin Yvonne Gebauer
Frau Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot
Herrn Bildungsminister Christian Piwarz
Herrn Bildungsminister Marco Tullner
Frau Bildungsministerin Karin Prien
Alle Eltern-, Lehrer-, Schüler- & Schulleitungsverbände