Corona-Homeschooling: Willkür bei Teilhabe-Assistenz.
Kinder mit Behinderungen werden in Bielefeld bezüglich Lernunterstützung nicht mitgedacht.
In Zeiten von Corona werden Schulen geschlossen, und der Unterricht findet im Privathaushalt statt.
Bei Schüler*innen ohne Beeinträchtigungen geht die Landesregierung per Erlass davon aus, dass diese selbstmotiviert und mit loser Aufsicht durch die im Homeoffice eingespannten Eltern weiter lernen.
Das kann bei Schülern mit Behinderungen wohl kaum erwartet werden, besonders wenn sie im Schulalltag durch eine Assistenz unterstützt werden.
Wie sollen sie überhaupt ohne Vorbild und Motivation des gewohnten sozialen Umfeldes zu Hause lernen oder das bisher Gelernte nicht vergessen?"
fragt der Elternverein die Inklusiven e.V. am 03.April schließlich bei der Stadt Bielefeld nach und erfuhr:
Es bestehe "eine Vereinbarung", dass "aus Infektionsschutzgründen" alle Dienstleister ihre Arbeit eingestellt hätten, bei denen Schulbegleiter angestellt sind. Weiter war zu erfahren:
Überlegungen zu Schulbegleitungen, die im Arbeitgebermodell bei den Eltern angestellt sind, gebe es nicht, genauso wenig eine Notbetreuung von Kindern mit Behinderung u/o sogenanntem Förderbedarf.
Man war dann im weiteren Verlauf des Tages wohl "mit der Landesbehindertenbeauftragten Claudia Middendorf im Gespräch", verlautbarte später.
Auf die nochmals schriftlich gestellte Anfrage an Sozialdezernent Ingo Nürnberger vom selben Tage liegt dem Elternverein bis heute keine Rückmeldung vor.
Andere Bundesländer und Kommunen haben die Situation von Kindern mit Förderbedarf sofort mitbedacht oder mittlerweile Lösungen erarbeitet.
So hört man von Baden-Württemberg/ Karlsruhe, dass Eltern sofort über den weiterbestehenden Anspruch auf Schulbegleitung als Hilfe zur angemessenen Schulbildung und Bildungs-Teilhabe informiert wurden.
In NRW gibt es in Aachen und Köln mittlerweile transparente Regelungen für Assistenzen im Homeschooling, die sogar für die Ferien gelten.
In Hamburg haben behinderte Kinder ein Recht auf Notbetreuung, auch ohne sogenannte systemrelevante Berufe der Eltern.
Dagegen herrschen in Städten wie Düsseldorf und Bielefeld weiter unsichere Verhältnisse.
Besonders Kinder mit Behinderungen und ihre Familien benötigen aktuell Sicherheit, gewohnte Strukturen und stabile, entspannte emotionale Beziehungen - erst recht, wenn es um Bildung geht.
Bildung zu erlangen bzw. die erlangte Bildung durch fehlende Übung nicht zu verlernen, sollte den Schülern nicht verbaut werden.
Denn schließlich ist Bildung der Schlüssel für größtmögliche Unabhängigkeit im späteren Leben.
Was derzeit ohne jegliche Assistenz-Unterstützung von Bildung übrig bleibt, noch dazu bei Fernbeschulung in sehr heterogener Ausgestaltung, liegt auf der Hand.
Wenn man davon ausgeht, dass die Kinder in der schulischen Lernumgebung mittels ihrer Assistenzen sozial integriert waren, ist für sie sehr viel mehr weggebrochen.
Das bedarf dringend einer - zumindest annähernden - Kompensation.
Man könnte also davon ausgehen, dass hier den Verantwortlichen zumindest etwas Kontinuität für Schüler*innen mit Behinderung per Assistenz allerorten am Herzen liegt.
In Nordrhein-Westfalen scheint dahingehend Desorientierung bzw. Willkür zu herrschen.
Dabei hat der Rechtsanspruch auf Bildungs-Teilhabe weiterhin seine Gültigkeit.
Daher erwartet der die Inklusiven e.V. von der Stadt Bielefeld eine zeitnahe förderliche Lösung für Schüler*innen mit Behinderungen und deren Familien.
Eine weitere Konkretisierung ist nach Meinung des Bielefelder Elternvereins von Nöten:
"Von vielen Eltern erhalten wir die Rückmeldung, dass sich seit den Schulschließungen weder Schulbegleitungen noch deren Arbeitgeber bei den Familien gemeldet haben." sagt Romy Suhr, Vorsitzende des die Inklusiven e.V..
Das wird dazu beitragen, dass Schulbegleitungen nicht (mehr) in jedem Haushalt erwünscht sind. Auch dies darf aber nicht dazu führen, dass den Schüler*innnen der Anspruch auf Unterstützung verwehrt wird.
Schüler*innen müssen flexibel Unterstützung erhalten, in Zeiten der Pandemie auch durch Personen ihrer Wahl, selbst aus dem engeren familiären Umfeld oder Freundeskreis.
Das erlaubt dann auch, dem Infektionsschutz optimal Rechnung zu tragen.
"Darüber hinaus ist nicht transparent, wofür die seit Schulschließungen einbehaltenen Assistenz-Gelder gemäß bestehender "Vereinbarung" der Stadt eingesetzt werden." merkt Suhr an.
Sie vermißt Klarheit darüber, dass die für Inklusion vorgesehenen Finanzmittel nicht für allgemeine Bedarfe zweckentfremdet werden.
Dass dies dem Vorankommen der Inklusion schadet, zeigt das Beispiel der Inklusions-Pauschale des Landes.
Mit dieser wurden in Bielefeld Sozialpädagogen-Stellen an den allgemeinen Schulen geschaffen, aber: "Dies hat für Kinder mit Behinderungen bzw. deren inklusive Beschulung zu keinerlei Verbesserungen geführt."
Der Elternverein hält die Einbeziehung der Elternvertretungs-Organisationen für sinnvoll und wünschenswert:
"Denn Eltern sind zusammen mit ihren Kindern die Experten für einen Inklusion befördernden Einsatz jeglicher Finanzmittel."