Inklusive Werte vermitteln versus Parteiprogramm

Wie ist das an einer Grundschule des Gemeinsamen Lernens vereinbar?

Für uns Eltern von Kindern mit Behinderungen des Elternverein die Inklusiven e.V. wirft die Nachricht zur Personalie an der Bielefelder Grundschule Dreekerheide (NW vom 10.10.2019) Fragen auf. Dass eine leitende Tätigkeit in einer zugelassenen Partei offenbar mit der gebotenen Neutralität des Beamtenberufs vereinbar ist, sei dahin gestellt.

Vielmehr wundern wir uns über die wenig kritischen Äußerungen der von der Journalistin Befragten - Schulleitung, Bezirksregierung und Stadtelternrat Bielefeld. Die pädagogische Beurteilung durch die Obere Schulaufsicht bezieht sich allein auf den Schutz der Privatshpäre der Lehrerin und die Einhaltung ihrer Pflichtstunden.

Dabei geht es hier nicht um irgendeine Schule, sondern um eine staatliche Grundschule des Gemeinsamen Lernens. Das heißt, diese Schule hat sich verpflichtet, die Basis für eine Inklusive Bildung und Erziehung ihrer Schülerschaft von Beginn an zu legen.

Inklusive Bildung heißt, ein wertschätzendes Miteinander zu leben und vorzuleben und die Entwicklung aller Kinder zu befördern, egal durch welche Startbedingungen oder Lebensumstände ihnen dabei mehr Barrieren im Wege stehen. Eine von vielen Barrieren kann eine angeborene oder - was bedeutend häufiger auftritt - eine unter der Geburt oder später erworbene Behinderung sein.

Die Partei, welcher die Grundschullehrerin der Grundschule Dreekerheide angehört, positioniert sich offen gegen die Umsetzung der Menschenrechte, die in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) für Menschen mit Behinderungen konkretisiert werden.

Menschenrechtlich nicht zu vertreten ist die Institutionalisierung von Menschen mit Behinderungen in Sonderwelten. Diese sind alles andere als "bewährt", wie aufgedeckte Missstände und unwürdige Behandlung in Behinderteneinrichtungen zeigen. Zu den auf UNO-Ebene kritisierten Sonderwelten gehören auch die Förderschulen für Kinder mit Behinderungen, die bisher nur im Ausnahmefall für die allgemeine Schülerschaft geöffnet wurden.

 

Die von der Grundschullehrerin vertretene Partei behauptet jedoch, dass ein Sonderschulsystem mit dem Recht auf Teilhabe an der allgemeinen Gesellschaft gemäß UN-BRK vereinbar sei.

Dies tut die besagte Partei in Zeiten, in denen Wissenschaft und Praxis längst den Fokus auf Gemeinsamkeiten aller Kinder richten, nämlich auf den sehr guten Entwicklungschancen aller Kinder bei positiven Umfeld-Bedingungen.

Dies tut sie in Zeiten, in denen es längst klar ist, dass die Institutionalisierung von Behinderung fern der allgemeinen Gesellschaft zu Falschdiagnosen, zu gescheiterten Bildungskarrieren, zu belasteten Familiensystemen und hohen Folgekosten führt. (Man beachte hier die Rügen der Landesrechnungshöfe NRW und NDS.)

Dies tut sie in Zeiten, in denen es - seit übrigens 10 Jahren - um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und damit um die Aufhebung der Entrechtung und Entmündigung behinderter Menschen geht.

Im Zentrum steht für uns daher die Frage, welchen unvereinbaren Vorgaben die benannte Grundschullehrerin bei ihrer Arbeit an einer Grundschule mit Gemeinsamen Lernen folgt: Befördert sie im Beruf Inklusive Schulbildung und verstößt damit gegen ihre Parteistatuten oder arbeitet sie dort gemäß des Parteiprogramms gegen ihren beruflichen Auftrag?

Und unsere Frage geht auch an die örtlichen Schulaufsichten und schließlich die Landesregierung:

Mit welcher Begründung (oder gar Zielsetzung?) wird eine Lehrkraft mit der von ihrer Partei vertretenen Infragestellung der UN-BRK an einer Grundschule mit dem expliziten politischen Auftrag „Inklusion" eingesetzt?

Wir rufen ausdrücklich alle sich für Inklusion einsetzende Organisationen auf, sich hier klar zu positionieren.