"Film ab", Teil 2

"Wie im schlechten Film - Eltern kommen nicht vor. Aus Überlastung."

Am Dienstag, 08. Mai 2018, Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung protestierte der Elternverein die Inklusiven e. V. auf dem Rathausplatz gegen die ungenügende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Schulbereich in Bielefeld mit unbetreutem Proteststand, der als Gefahrenstelle mit „Stolpersteinen“ gekennzeichnet war, unter dem abgewandelten Thema „Inklusion von Anfang an – Auf eigene Gefahr.“

Behinderte Kinder sind nicht im Regelschulsystem angekommen bzw. landen früher oder später wieder im Sonderschul-System, trotz erheblicher Finanzmittel für ihre Teilhabe. Wenn sie vereinzelt ankommen, ist dies von Glück oder den Ressourcen der Eltern abhängig und endet meist spätestens an der Tür zur OGS.

Gerade den Eltern, die mit ihren Kindern ein inklusives Lernen auf allen Seiten erst ermöglichen, wird es alles andere als leicht gemacht! Womit sie so beschäftigt werden, war anhand der O-Töne mit Abwesenheitsbegründungen an unserem Stand lesen.

Nachdem im 1. Teil unserer Film ab – Aktion die Situation der Kinder im Mittelpunkt stand, wollten wir mit unserem Protest die damit eng verknüpfte Realität der Eltern in den Fokus rücken, mit dem die Film-Idee weiter spinnenden Untertitel „Wie im schlechten Film – Eltern kommen nicht vor. Aus Überlastung.“

Abhol-Anrufe von Schulen, die teilweise mit behinderten Kindern trotz Schulbegleiter und Sonderpädagoge während der Unterrichtszeit nicht zurechtkommen, holten sogar die Vereinsvorsitzende vom Podium aus der Diskussion mit Grünen-Bundestagsabgeordneten Britta Hasselmann und Sozialdezernent Ingo Nürnberger! Was hier als symbolischer Akt inszeniert war, ist für viele Eltern skandalöse Realität.

Am Stand meldeten sich daraufhin spontan Eltern, denen es ebenso ergeht. Sie solidarisierten sich mit dem Protest, indem sie sich ebenfalls unsere neongelben Aufkleber mit der Losung „Inklusion von Anfang an“ ans T-Shirt hefteten.

Sozialdezernent Ingo Nürnberger und Britta Hasselmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen, zeigten sich vom Eltern-Protest betroffen und schienen einen dringenden Handlungsbedarf anzuerkennen, der sich auch auf das nicht anwesende Schuldezernat und die Transparenz von eingesparten Summen für geschlossene Sonderschulen und andere Daten in Sachen schulischer Inklusion bezieht.

die Inklusiven e. V. sehen akuten Handlungsbedarf und fordern entsprechende Aktivitäten, damit Steuergelder für die Inklusion von behinderten Kinder auch Zweckentsprechen zu ihrer Teilhabe führt – unter Einbeziehung aller Ebenen des Schulwesens, der Politik und natürlich der Eltern.

  • „Entschuldigung, kann nicht kommen, bin mit den Nerven fertig. Die Schule sucht ständig nach Fehlverhalten meines Kindes, normales Verhalten wird pathologisiert.”
    - „Damit wir Eltern einen unqualifizierten Schulbegleiter beantragen, der nicht mit uns sprechen darf und dann mehr Probleme bringt, als er löst.“ 

    Mutter eines Kindes mit Autismus

    - „Damit wir an eine Sonderschule wechseln.“ 

    diverse Eltern und Kinder

     

  • „Sorry, kann nicht kommen, für zusätzliches Eltern-Engagement muss man Zeit und Geld haben. Wird nicht gefördert.“

    Vater eines Kindes mit Beinträchtigung

  •   Bin überregional unterwegs, um pädagogisch-psychologische Stellungnahme einer Fachstelle zu bekommen, dass Verhalten meines Kindes entsprechend seines Förderbedarfs pädagogisch beeinflussbar ist/  Beziehungsarbeit erfordert. Eigentlich wie bei allen Kindern.“

    Vater von Kind mit Trisomie 21, Sonderpädag. Förderbedarf Sprache/ Lernen

  • „Tut mir leid, ich muss wieder einmal mein Kind
    von der Schule abholen. Die Schule ruft ständig an, weil sie nicht mit ihm zurechtkommt - trotz vorhandenem Integrationshelfer und Sonderpädagogen.“

    Vater eines Kindes mit Diagnose ESE/ ADHS
    viele Eltern von Kindern mit Down Syndrom/ Autismus/ ESE

  • “Verzeihung, bin nicht abkömmlich. Muss mein Kind in der Förderschule für Emotional-soziale Entwicklung (ESE), den ganzen Tag begleiten und fördern, also faktisch beschulen.”

    Mutter einer Tochter mit diagnostizierten Sonderpädagogischen Förderbedarf Emotional-Soziale Entwicklung (ESE)

  • „Geht gar nicht, heute, muss arbeiten. Mein Gehalt wird benötigt, um den von der OGS geforderten, Integrationshelfer privat zu bezahlen.

    Mutter eines sozial unauffälligen Mädchens mit Down Syndrom

  • „Sorry, muss mich vom Burn Out erholen. Gleichzeitig Mutter, Ersatzfreund, Lehrer und Förderkraft, Laien-Jurist, Therapeut, Fahrdienst … zu sein, hat mich in die Rollenüberlastung gebracht.“

    Eltern von Kindern mit diversen Sonderpädagogischen Förderschwerpunkten

  • „Habe keine Zeit, muss Diagnosen der Schule von Fachleuten klären lassen. Ich soll mein Kind nicht richtig erzogen haben, weil es nicht die Hand gibt.“

    Vater eines Jungen mit Autismus

  • „Geht echt nicht, muss Geld verdienen. Rechtsanwälte, die sich für die Einhaltung von Gesetzen engagieren, kosten mehr als andere. Und Verwaltungsrecht (Schule) bezahlt die Rechtsschutzversicherung nicht!“

    Eltern von Kindern mit diversen Sonderpädagogischen Förderschwerpunkten

  • „Kann nicht, bin beim Therapeuten, muss an meiner Wahrnehmung arbeiten. Die Schule meint, ich würde nicht einsehen, dass mein Kind behindert ist. Weil ich dachte, Gemeinsames Lernen heißt, man lernt etwas und das gemeinsam.“

    Eltern von Kindern diverser Förderschwerpunkte

  • Wäre ja gekommen, um Rede und Antwort zu stehen, aber muss mein Kind gerade zu Hause selbst unterrichten, weil seine Beschulung auf 2 Stunden heruntergesetzt wurde. Der Schule ist es nicht möglich, in Zusammenarbeit mit Schulbegleiterträgern, Verständnis dafür zu entwickeln, dass mein Kind den gleichen Weg hin wie zurück gehen muss. 

    Mutter von Kind mit Autismus

  • Muss mich in Didaktik weiterbilden, damit ich nachher meinem Kind den Schulstoff aufbereiten kann, dass es ihn versteht. Die Schule kann das mit der Doppelbesetzung Sonderpädagoge/ Grundschullehrkraft nicht leisten.

    Mutter des einzigen Kindes mit Behinderung einer Grundschulklasse des Gemeinsamen Lernens

  • Sorry, muss - statt am Protest-Stand - beim Jobcenter in der Warteschlange stehen. Bin arbeitslos, weil mein Kind nicht in die OGS darf.
    „...weil die Beschulung meines Kindes auf 2 Stunden heruntergesetzt wurde.“

    Eltern von Kindern mit Diagnos Emotional-Soziale-Entwicklung (ESE)

  • “Bin beim Rechtsanwalt, um mich gegen fiktive Vorfälle und “Ordnungsmaßnahmen” der Schule unter Nichtbeachtung des Förderbedarfs zu wehren.”

    Vater eines Kindes mit zugeschriebenen Sonderpädagogischen Förderschwerpunkt es Emotional-Soziale-Entwicklung (ESE)

  • „Habe keine Zeit, muss arbeiten. Mein Kind darf nicht ohne privat zu bezahlenden Integrationshelfer in die OGS. Privat zu bezahlende Nachmittagsangebote sind teuer und mit viel Fahrerei verbunden.“

    Mutter eines sozial unauffälligen Kindes mit Förderbedarf Sprache/ Lernen

  • Geht nicht, wir sind damit beschäftigt, einen Sonderpädagogen zu suchen.
    Die „inklusive“ Sek-1-Schule hat seit dem Zwergen-Sonderschul-Moratorium keinen mehr und sieht daher keine Möglichkeit, mein Kind in LRS und Dyskalkulie zu fördern

    Eltern eines Kindes mit motorischen Einschränkungen

    Die gut strukturierte Privatschule mit guter pädagogischer Arbeit (Ersatzschule, staatlich refinanziert) darf mein Kind nicht aufnehmen, weil ein vorhandender Sonderpädagoge Bedingung ist.